Diebstahl erwünscht! Wie & warum Sie die Worte Ihrer Nutzer stehlen sollten

Symbolbild: Diebstahl erwünscht! Wie & warum Sie die Worte Ihrer Nutzer stehlen sollten

9. Oktober 2017

Die besten Copywriter sind nicht nur kreativen Genies, sondern auch diebische Elstern. Sie stehlen die Worte ihrer Nutzer und potenzieller Kunden und bedienen sich ihrer Sprache. So gelingt es ihnen „Messages“ zu transportieren, die verstanden werden, und Texte zu verfassen, die konvertieren.

Auch wir stehlen vorsätzlich Worte, Sätze und Gedanken von Website-Besuchern. Und hier zeigen wir anhand von 4 Beispielen aus unseren Projekten, wie wir regelrecht Detektivarbeit betreiben um sicherzustellen, dass wir genau die richtigen Worte stibitzen. Denn oft reicht es schon, ein einziges Wort umzuformulieren.

Wie die richtigen Worte Ihren Umsatz ankurbeln können

Viele assoziieren „copy writing mit langen, ausgetüftelten Texten. Aber auch einzelne Worte können eine enorme Auswirkung auf die User Experience haben, sodass es Sinn macht, sich genau auf diese zu stürzen. 

BEISPIEL 1 – wie ein falsches Wort in der Navigation die Besucher täuscht

Hier sehen Sie die Navigationsleiste einer beliebten Sprachschule in Wien, die Deutschkurse für alle Altersklassen anbietet. Erkennen Sie die kleine Änderung, die wir vorgenommen haben?

Die Abbildung oben zeigt die alte Version, die Abbildung unten die neue Version der Menüleiste.

Es handelte sich um eine Kleinigkeit: auf dem Reiter für die Erwachsenenkurse wurde der Zusatz 16+ entfernt.

Wie kam es dazu?

Nach dem Besuch des Deutschkurses, haben wir die Teilnehmer im Rahmen einer E-Mail-Umfrage um Feedback gebeten. Unter anderem haben wir sie danach gefragt, ob es etwas gab, was sie beinahe davon abgehalten hätte, eine Kurs bei actlingua.com zu buchen.

Dabei zeigte sich: Erwachsene Teilnehmern hatten häufig die Sorge, dass das Kursangebot hauptsächlich an Jugendliche gerichtet ist. Sie meinten zum Beispiel:

„ActiLingua präsentiert sich vor allem als die Schule für Jugendliche.“
„The courses are mainly for teenagers, not for people my age.“

Das war ein interessanter Hinweis, dem wir weiter nachgegangen sind. Es gab unterschiedliche Gründe, warum dieser (falsche) Eindruck bei den Besuchern der Website der Sprachschule geweckt wurde. Einer davon war ganz banal und zu unserer Freude auch ganz einfach zu korrigieren.

Nutzer, die sich auf der Startseite einen Überblick über das Angebot auf der Seite verschaffen wollten, haben beim Scannen der Seite oft nur 16+, 16-19 und 12-17 (die Altersangaben auf den Reitern) wahrgenommen. Dabei ist für sie das Wort „Erwachsenenkurs“ untergegangen. Wir haben den Zusatz daher einfach entfernt, um so den trügerischen Eindruck, dass die Seite nur Kurse für Teenager anbietet, zu entkräften.

BEISPIEL 2 – wie ein falsches Wort in der Navigation zu einem Abbruch führt

Als nächstes geht es wieder um ein fatales Wort in der Navigation, diesmal auf der Webseite einer Versicherung.

Durch User-Tests entdeckten wir, dass Nutzer auf der Suche nach einer Pensionsversicherung auf zurich.at Schwierigkeiten hatten, zur richtigen Stelle zu navigieren. Sie klickten schnell auf den Hauptmenüpunkt „Pension & Ansparen“, standen dann aber bei den Submenüpunkten darunter an.

Sie murmelten oft verzweifelt:

„Wo finde ich die Vorsorgemöglichkeiten?“

Es war ihnen nicht klar, wo sie als nächstes klicken mussten, um die gewünschte Info zu finden. Dem Bereich “Wie vorsorgen” wurde auf der Suche nach Vorsorgemöglichkeiten so gut wie keine Beachtung geschenkt. Frustriert verließen sie an dieser Stelle die Seite, obwohl die gesuchte Information genau hier zu finden war.

User-Tests zeigten uns, dass Besucher vergeblich nach dem Wort “Vorsorgemöglichkeiten” suchten um sich weiter orientieren zu können.

 

Die Wortwahl der Nutzer wurde daher bei der neuen Benennung des Submenüpunkts aufgenommen – er wurde einfach statt „Wie vorsorgen?“ in „Ihre Vorsorgemöglichkeiten“ unbenannt.

BEISPIEL 3 – wie eine Mini-Änderung die Produktwahl erleichtert

Das nächste Beispiel stammt von einer österreichischen Onlinedruckerei. Hier können Besucher mehr als 60.000 Produkte online bestellen und bedrucken lassen.

Ein sehr beliebtes Produkt im Portfolio von druck.at sind Visitenkarten. Kunden können zwischen unterschiedlichen Formaten, Materialien und Drucktechniken wählen und sich so Visitenkarten nach eigenen Vorstellungen drucken und zusenden lassen.

Wir haben bei unzähligen User-Tests festgestellt, dass es den meisten Besuchern im Großen und Ganzen leicht fiel, sich eine Visitenkarte nach ihrem Bedarf zusammenzustellen. Sie klickten sich ohne Probleme durch die unterschiedlichen Auswahlmöglichkeiten. Nur bei einer Stelle zögerten sie, drückten ihr Unverständnis über die Auswahlmöglichkeit aus und wählten unabsichtlich oft eine Option, die sie eigentlich nicht wollten.

Die Auswahlmöglichkeit, die die Nutzer irritierte, war betitelt mit: „Anzahl der Namen“.

„Keine Ahnung, was die damit meinen?“ war die häufigste Reaktion darauf.

Was damit abgefragt werden sollte: schlicht die Anzahl der Personen eines Unternehmens, für die Visitenkarten bestellt werden sollen, denn dann wäre natürlich eine Namensänderung notwendig, daher mehrere Namen.

In den User-Tests wurde deutlich, dass Nutzer diese Auswahl viel eher mit den Worten „Anzahl Personen“ beschreiben würden. Profis, die öfter mit Drucksorten zu tun haben, sprachen bei der Bestellung von mehreren Karten mit unterschiedlichen Namen von „mehreren Sujets“.

Wir klauten also einfach die Worte der Nutzer und benannten die Auswahlmöglichkeit so, wie die Nutzer es selber tun:

Seit dieser minimalen Umbenennung gibt es an dieser Stelle keine Missverständnisse mehr. Den Nutzern ist jetzt klar, was sie hier auswählen können.

BEISPIEL 4 – wie ein Wort in einem Dropdown für Missverständnisse sorgte

Das letzte Beispiel ist von der Kontaktseite der Zürich Versicherung. Die Seite stellt eine äußerst wichtige Seite am Ende des Conversion-Trichters dar, denn hier sind potenzielle Kunden kurz davor, mit der Versicherung Kontakt aufzunehmen.

In einem Dropdown-Menü konnten Interessenten angeben, für welche Art von Versicherung sie sich interessieren. Ursprünglich gab es folgende Auswahlmöglichkeiten:

Nutzer auf der Suche nach einer Pensionsversicherung suchten vergeblich nach dem Wort „Pensionsversicherung“. Viele verstanden nicht, dass sie dafür “Lebensversicherung” auswählen mussten.

„Pensionsversicherung …fällt das unter ‘Sonstiges’ oder ‘Finanzierung’? Nein, muss ‘Sonstiges’ sein. ‘Sonstiges’ ist so eine unsichere Sache. Aber wenn das andere nicht zutrifft, dann kann es nur ‘Sonstiges’ sein.“

Um die Auswahl zu erleichtern haben wir zusätzlich auch das von den Nutzern verwendete Wort „Pensionsversicherung“ als Auswahlmöglichkeit angeboten.

Mit dieser minimalen Änderung konnte ganz einfach auf die Nutzerbedürfnisse eingegangen werden.

Gerade bei Navigationsleisten und Auswahlmöglichkeiten von Kategorien werden häufig „firmeninterne“ Ausdrücke verwendet, die Nutzern oft nicht bekannt sind oder von ihnen in ihrem alltäglichen Sprachgebrauch anders benannt werden. Genau hier ist es auch besonders leicht – ohne viel technischen Aufwand – Änderungen auf einer Website vorzunehmen. Man muss nur wissen, welche Worte die richtigen sind…

Die besten Quellen um die wertvollsten Worte und Gedankengänge der Nutzer zu klauen

Mit welchen Mitteln finden wir also heraus, welche Worte wir verwenden sollen?

Ergiebige Quellen dafür sind die unterschiedlichsten Arten von Voice-of-Customer- und Voice-of-Visitor-Feedback. Dazu gehören zum Beispiel:

  • User-Tests
  • Chat Transcripts
  • Kundenfeedback & Beschwerden
  • Reviews
  • Onsite-Umfragen
  • E-Mail-Umfragen
  • Protokolle von Suchfeld-Abfragen
  • Card Sorting

 

Bonus Tipp: Worauf Sie bei Ihrer Diebestour besonders achten sollten

Folgenden Bereichen sollten Sie besondere Aufmerksamkeit schenken, während Sie durch die unzähligen Feedbackquellen wühlen:

Welche Worte Ihren Website-Besuchern bei der Suche nach Produkten durch den Kopf gehen. Wir sehen beispielsweise sehr häufig, dass die Menüpunkte nach firmeninternen Kategorien oder mit technischen Begriffen benannt werden, mit denen die Nutzer nichts oder nur wenig anfangen können.

Wie Nutzer Produkte und Services mit ihren Worten beschreiben. Oft nennen Sie Vorteile, die sie von einem Produkt überzeugen, die auf der Website bisher gar nicht ausgelobt werden. 

Welchen Worten Besucher auf der Website besondere Beachtung schenken. Hier ist es beispielsweise besonders spannend zu sehen, welche Worte eine Auswirkung auf die Wahrnehmung von Qualität und Preis von Produkten und Dienstleistungen im Vergleich zu jenen von Mitbewerbern haben.

Stellen, an denen sie zögern weiter zu machen. Besonders interessiert uns hier, was sie davon abhält auf der Webseite zu bleiben. Häufige Gründe für vorzeitiges Verlassen einer Website sind unbeantwortete Fragen, Sorgen oder Unverständnis.

Wie sie die Vorteile und USPs von Unternehmen aus ihrer Sicht beschreiben. Interessanterweise sind es oft Dinge, von denen Nutzer schwärmen, die das Unternehmen selber nie so als etwas Besonderes oder Nennenswertes gesehen hätte.

Fazit – jedes Wort zählt & man braucht kein Profi-Texter zu sein um gute Copy zu schreiben

Auch einzelne Worte können eine enorme Auswirkung auf die User Experience und den Umsatz haben. Voice-of-Customer- und Voice-of-Visitor-Feedback sind wertvolle Quellen um Gedankengänge und die „Sprache der Nutzer“ besser zu verstehen. Oft ist es besser die Worte und Ausdrucksweisen der Nutzer zu verwenden – oder wie wir hier etwas dramatisch formuliert haben, sie zu klauen – als dem Nutzer fremde Formulierungen zu verwenden.

Häufig ist für gute Copy keine Kreativität nötig – zumindest nicht in dem Sinn, selber ausgetüftelte Texte zu formulieren. Sondern viel mehr ist Kreativität gefordert, wie man am besten Kunden belauscht und ihre Gedanken erforscht, um so an die richtigen Worte zu kommen.

 

 

 

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